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GEO Special, August 2007                                                                                                zurück zur Übersicht

Bernstein – Bewahrer der Urzeit

Das »Gold der Ostsee« war einst die wichtigste Handelsware des Baltikums, begehrt bis hin ins alte Rom. Mit Baggern, von Tausenden Bergleuten, von Tauchern wurde es später gefördert. Nun wird es knapp. Was die Jagd nach ihm verschärft.

An einem rot schimmernden Novembermorgen steht ein Mann im eiskalten Wind am Strand des litauischen Karkle und blickt auf das Meer. Hat es in der Nacht nicht gezischelt wie eine Schlange? War das nicht ein gutes Zeichen? Der Bernsteinfischer Povilas Zasytis schaut auf die Wellen, die sich wie eine Meute wilder Hunde auf den Strand stürzen. Er sucht nach diesem Blinken auf den Schaumkronen. "Wenn in der Nacht Windstärke zehn geherrscht hat, besteht Hoffnung", sagt Zasytis.

Dann hat das Wasser den Bernstein vom Meeresgrund hochgespült und trägt ihn an die Küste. Also schlüpft Zasytis in drei Paar Socken, zwei Trainingshosen und schließlich in seine brusthohe Gummihose, schnappt sich den Netzkescher, groß wie ein Wassereimer, und steigt bis zur Brust in die Fluten, die Zigarette in seinem 50 Jahre alten, windgetrockneten Gesicht. "Das Wasser muss kalt sein, so zwischen minus fünf und ein Grad", sagt Zasytis, "damit der Bernstein schwebt. Der Wind muss von Südwesten kommen. Wenn auch noch die Unterströmung zum Land geht, ja, dann muss man nur noch wissen: wo suchen?" Zasytis keschert dem Bernstein seit 40 Jahren hinterher. Er weiß, wie man die Wellen überlistet. Mit einem blitzschnellen Dreher aus dem Handgelenk zupft er die Steine in seinen Kescher und lässt sie in die Stofftasche an seiner Hüfte gleiten. "Du hast nur einen Sekundenbruchteil, sonst hat die Welle die guten Stücke wieder verschluckt." Jahrhundertealt ist die Tradition des Bernsteinfischens an der litauischen Küste. Einst versorgten Sammler wie Zasytis ganz Europa mit dem begehrten Material. In den Werkstätten in Brügge fädelten "Paternostermacher" leichte Gebetsketten, in Elbing und Königsberg orderte der Adel filigrane Kabinettschränkchen, im litauischen Palanga spezialisierten sich Schleifer auf Perlen mit bis zu 500 Facettenflächen. Der Bernstein war das wichtigste Handelsgut der Balten.

Von November bis März schwemmt ihn die Ostsee an die Küste, von der Weichselmündung in Polen bis weit hinauf ins südliche Lettland. Überall machen Strandanrainer Jagd auf diesen seltsamen Schatz, der zu 78 Prozent aus Kohlenstoff besteht, dazu kommen Sauerstoff, Wasserstoff und eine Spur Schwefel. Bernstein kann honiggelb sein, mitunter schwarz, selten weißlich oder grün. Er ist etwa so leicht wie Wasser, und wenn man ihn anzündet, brennt er. Daher sein deutscher Name, ursprünglich Börnstein, was Brennstein bedeutet. An Wolle gerieben, lädt er sich elektrostatisch auf und zieht Papierschnipsel an. Daher sein griechischer Name Elektron, aus dem der Begriff Elektrizität abgeleitet wurde. Man kann Holzlack aus Bernstein machen oder den schönsten Schmuck. Wenn kleine Kinder auf ihm herumkauen, hilft er beim Zahnen. Auch birgt er einen Stoff, der die Blutgerinnung verzögert. Transfusionsgeräte aus Bernstein machten bei Blutübertragungen in den 1930er Jahren erstmals gerinnungshemmende Zusatzstoffe überflüssig, wie etwa das Hirudin, mühsam aus Blutegeln gewonnen.

Weltweit sind 200 Bernsteinvorkommen bekannt, aber nirgendwo gibt es so viel zu finden wie an der Ostseeküste. Vor 40 Millionen Jahren rann er als Harz aus den Stämmen von Koniferen, Palmen und Eichen. Sie formten einen Urwald, der sich vom jetzigen Skandinavien nach Süden bis dorthin zog, wo heute die Ostsee ihren Schaum schlägt. Mild war die Luft, voller Insekten. Bis das Meer von Westen her den Wald überflutete, zu Boden drückte, das Harz aus dem Holz wusch und es mit sich trug. Über Millionen Jahre verhärtete sich das Harz auf dem Meeresgrund. Die Gletscher der Eiszeit schürften später die Erde auf und schoben den baltischen Bernstein an die heutige Küste und weiter nach Osten, tief in den Erdgrund der Ukraine hinein.

Für Povilas Zasytis aber zählt nur der Seebernstein. Bis zu 30 Kilogramm sammelt er jeden Winter, goldgelbe, kinderhandgroße Brocken. Er hält sie ins Sonnenlicht. "Schimmern sie nicht wunderbar?" Der Seestein ist schön geschliffen, glatt und fest. Erdbernstein dagegen brauner, poröser. Für seine Erntezüge seilt sich Zasytis am Ufer an, damit ihn die meterhohen Wellen nicht in den Tod ziehen. Und bei Frost nimmt er die blauen Flecken in Kauf, die ihm die Eisbrocken zufügen. "Nach solch einem Tag bleibt das Meeresrauschen in den Ohren", sagt Zasytis, "und die Müdigkeit ist angenehm. Ich bin wohl bernsteinkrank. Ja, so ist es." Im Hauptberuf fischt Zasytis nach Stint, der Bernstein bringt ihm nur einen Nebenverdienst. "Ich darf sammeln", sagt Zasytis lächelnd, "ich muss nicht."

Das war in früheren Jahrhunderten anders. Das fossile Harz, dessen Schönheit schon die alten Römer erlagen, sodass sie es von der litauischen Küste bis nach Rom importierten, um damit ihre Gladiatoren zu schmücken und ihren Frauen zartweiche Handschmeichler zu drechseln, dieses Harz zwang Generationen von Küstenbewohnern unter seine Gewalt. Denn Bernstein bedeutete Reichtum und Macht für jeden, der den Landstrich gerade kontrollierte. Die im 13. Jahrhundert über das Memelland herrschenden deutschen Ordensritter erließen ein sogenanntes Bernsteinregal, das den Strandbewohnern verbot, ohne Erlaubnis zu sammeln. Wer dennoch dabei erwischt wurde, konnte am nächsten Baum gehenkt werden. Die Bernsteinsammler der Ritter mussten noch das kleinste Fundstück bei ihren Herren ablieferten, sonst drohten auch ihnen drastische Strafen.

Zu preußischen Zeiten wurde der Strand an ein Kaufleutekonsortium verpachtet, blieb allerdings weiterhin Sperrgebiet für jeden, der auch nur im Verdacht stand, mit Bernstein handeln zu wollen. Erst 1837 ging die Pacht auf die Strandbewohner über und jedermann durfte wieder ans Wasser. An der Mühsal des Sammelns aber änderte das nichts. Gering waren die Mengen und entsprechend hoch war der Preis. Mit Bernstein schmücken konnte sich aus diesem Grund nur eine illustre Minderheit. Bis plötzlich eine Art Goldrausch die Küste erfasste.

Man schreibt das Jahr 1858, als der Kaufmann Moritz Becker und der Kahnschiffer Wilhelm Stantien das industrielle Zeitalter der Bernsteingewinnung einläuten; dort, wo es immer schon am meisten von ihm gab: im Samland, der Halbinsel vor Königsberg, deren Strand bis heute Bernsteinküste genannt wird. Mit Dampfbaggern graben die Unternehmer das gelbe Harz nun aus der Ostsee, 75 546 Kilogramm bergen sie im Jahr 1883. Auch Taucher schicken sie auf den Grund des Meeres, die in ihrem besten Jahr 14 168 Kilogramm aus dem Wasser holen. In Palmnicken bei Königsberg errichten Becker und Stantien das bis heute weltweit einzige Bernstein-Bergwerk. Mittlerweile heißt es Jantarny, Bernsteinort, und gehört zu Russland. Neun Meter dick ist die Sedimentschicht, in der im Mittel 2,5 Kilogramm Bernstein pro Kubikmeter zu finden sind. Es ist die vermutlich größte Lagerstätte der Welt, 640 000 Tonnen sollen dort noch immer ruhen.

Der Tagebau verändert die damalige Bernsteinwelt. Zeitweise fördern über 2000 Bergleute bis zu 90 Prozent der globalen Ernte. Tiefer als 40 Meter wühlen sich die Bagger. Im Bernsteinmuseum des litauischen Palanga leuchten besondere Exponate aus dieser Förderung heute hinter Vitrinenglas in gelblichem Licht. Faustgroße Fabelwesen. Ballgroße Brocken, geriffelt wie ein Gehirn. Andere ähneln Pottwalschädeln oder langen Krallen. Raritäten, die jährlich ungefähr 80 000 Besucher in das betagte Schloss locken.

In der Industrie jedoch ging es nie um solche speziellen Fundstücke, immer nur um Menge. Rund 400 Tonnen beträgt die jährliche Ausbeute des Bergwerks Palmnicken zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er wird zur Massenware, der billige Erd- verdrängt den schönen Seebernstein. Russland ist zu einem Drittel an der Weltproduktion beteiligt. Im damals sowjetischen Palanga verarbeiten 500 Schleifer jährlich 20 000 Kilogramm zu Perlen und Zigarrenspitzen - nur das deutsche Danzig kann noch mithalten.

Bernstein wird zum Volksschmuck. Als die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg das preußische Bergwerk in Palmnicken übernimmt, verdoppelt sie die Förderung allmählich auf mehr als 700 Tonnen jährlich, in Litauen und anderen sozialistischen Ostseeanrainern fügen Heimarbeiter-Heere und Hunderte von Fließbandarbeiterinnen in volkseigenen Kombinaten die Massen zu billigem Tand.

Als die Sowjetunion zusammenbricht, kollabieren auch die Kombinate. In den anarchischen Zeiten der 1990er Jahre plündern russische Bergleute ihren Tagebau beinahe vollständig aus, Raubgräber wühlen sich durch den Schlamm. Sie nähen die Funde in ihre Jacken und schaffen sie illegal über die Grenze ins baltische Nachbarland. "Die Preise waren niedrig", sagt Kestutis Bauzys, Bernsteinkünstler in Palanga. Als Russland zeitweise die Grenze schließt, schicken die litauischen Schleifer heimlich Kuriere nach Jantarny, die mit Nachschub zurückkehren sollen. Seit die Grenze zum russischen Kaliningrad nun aber EU-Außengrenze geworden ist, funktioniert der Schmuggel nicht mehr. "Ab und an bekomme ich eine zigarettenschachtelgroße Menge angeboten", sagt Kestutis Bauzys, "das war`s." Im Tagebau von Jantarny übernehmen private Investoren das Kommando, die Diebstahl mit Waffengewalt verhindern. Es heißt, dort mache sich nun schon jeder verdächtig, der sich bücke, um seine Schnürsenkel zu knoten.

Nachschubprobleme in Litauen sind die Folge. Die heimischen Bernsteinfischer keschern pro Saison zwischen 300 und 600 Kilogramm - viel zu wenig für die Schleifer, die in Zeiten der Marktwirtschaft überall im Land auf eigene Rechnung Ketten, Broschen, Armreifen und filigrane Tierfiguren fräsen. "Die Kaliningrader kontrollieren die Mengen und diktieren die Preise", klagt Bauzys. Wie alle anderen Künstler kauft er jetzt bei "Alexander in Klaipeda", dem offiziellen Händler der russischen Monopolisten. Bauzys wühlt handgroße Stücke aus einem Kabuff in seiner Kellerwerkstatt. "Musste ich für ein Kilogramm vor fünf Jahren 80 Euro zahlen, so sind es heute 400 Euro." Doch Bauzys weiß sich zu helfen. Sein Freund, der Bernsteinfischer Povilas Zasytis, versorgt ihn mit der besonders farbstarken und kompakten Seeware. Zudem hat Bauzys zu billigen Zeiten in Jantarny einen Riesenvorrat Erdbernstein gekauft. Und wie die anderen Künstler verlegt er sich zunehmend auf solchen aus der Ukraine, der nur halb so viel kostet wie die Ware der Russen. Dieser ist zwar recht rau und trüb, aber mit der richtigen Technik kommt Bauzys selbst damit zurecht. In einem waschmaschinengroßen Kessel presst er den Bernstein in Argon-Gas, bei 20 Bar Druck und 200 Grad Celsius, bis er durchscheinend wird wie Glas. In einem gewöhnlichen Backofen heizt er zarte Risse in das Harz und bringt anschließend den Stein zum Funkeln. "Jeder hat so seine Geheimnisse", sagt Bauzys und grinst. Als hätte er Plinius den Älteren im Sinn, der in der Antike in seiner "Historia Naturalis" empfahl, den Bernstein im heißen Fett einer säugenden Sau zu behandeln.

Bauzys belegt mit 300 Kilogramm verarbeitetem Material pro Jahr einen ehrbaren Platz in der Hierarchie der rund 200 Menschen, die in Palanga vom Bernstein leben. Er ist Meister, vier Heimwerker arbeiten ihm zu. Eine Verkäuferin verdient um die 600 Litas im Monat, 150 Euro. Wenn sie nach Feierabend an der Küchendrehbank Perlen mit Sandpapier schleift oder sie mit einem käsig muffenden Gemisch aus Schlämmkreide und Paraffin poliert, kann sie das Dreifache dazuverdienen. Bauzys fädelt die Steine auf und macht Ketten daraus. Seine Pranken reihen braune, schwarze, weiße und gelbe Stücke aneinander, dazwischen einige Silberperlen, die "Akzente" setzen sollen. "Man muss Harmonie erreichen", sagt er. Der ehemalige Kunststudent, nun 40 Jahre alt, hat es so auf den lukrativen internationalen Markt geschafft. Mal schickt er einen Karton schwarz-grüner Ketten an einen deutschen Händler, wobei ihm jede Kette knapp 70 Euro bringt. Dann liefert er nach London - Herzen mit Facettenschliff. Oder nach Japan, wo die höchsten Preise für alles gezahlt werden, was grün ist und wie ein Blatt aussieht. Muslime in Jordanien, Kuwait und den Arabischen Emiraten lassen Gebetsketten aus Palanga durch ihre Hände gleiten. "Es läuft gut", sagt Bauzys.

Vorbei sind die Zeiten, als lediglich ostpreußische Heimwehtouristen mit einer Bernsteinkette nach Deutschland zurückkehrten. Der EU-Beitritt hat neue Touristen gebracht, und die erfolgreichen Veredler setzen nun auf Klasse statt Masse. Und wer die hohen Einkaufspreise nicht mehr zahlen kann, muss auf die Verarbeitung brauntrüber Kieselchen ausweichen oder auf billigsten Pressbernstein, gebacken aus Krümeln. Betrug ist das nicht, gepresste Ware gilt als echt, doch sie ist hart und splittert beim Schleifen.

Es sind Strassenhändlerinnen wie Mariona Balsiene, deren Existenz auf dem Spiel steht. In ihrer dicken gelben Jacke trotzt die Rentnerin dem heulenden Novemberwind an der Seebrücke in Palanga, die blaue Mütze über die Ohren gezerrt. Auf ihrem Holztischchen verkauft sie minderwertige Ketten für 15 Litas und Plastiktütchen voll braungelber Winzlinge für zwölf Litas. "Meine Tochter hat ein Kind", sagt Balsiene, "ich helfe ihr." Sie verkauft nicht viel, aber das in Ruhe. Denn sie leistet sich einen Gewerbeschein, für 20 Euro im Monat. Und das sei schon ein Vorteil. "Zu sowjetischen Zeiten war das Verkaufen verboten, da mussten wir uns verstecken." Natürlich handele sie nur mit echtem Bernstein, verspricht Balsiene.

Wenn es stimmt, wäre es nicht selbstverständlich. Denn immer wieder versuchen windige Straßenhändler, arglosen Touristen wertlose Fälschungen anzudrehen. Epoxidharz etwa lässt sich leicht schmelzen und in Form bringen, lässt sich anreichern mit künstlichen Farbstoffen, bis das Produkt so täuschend echt aussieht, dass selbst Experten genau hinschauen müssen. Stubenfliegen und Stallmücken mutieren in solchen Kunstharzmänteln zu vermeintlich urgeschichtlichen Einschlüssen, Inklusen. Andere Fälscher verbinden viele kleine Stücke mit Kunstharz zu veritablen Brocken.

Immerhin gibt es zwei wirklich gute Testverfahren. Drückt man eine glühende Nadel leicht ins Material, riecht echter Bernstein harzig. Auch geht er in Süßwasser unter, in Salzwasser schwimmt er obenauf. Anspruchsvolle Käufer wissen um diese Tests, und die kleinen Straßenhändler geraten weiter unter Druck. Der Umbruch im Bernsteinland vollzieht sich ohne Geschrei, aber unaufhaltsam. Was eine Zeit lang das Brot der kleinen Leute war, wird zum Geschäft weniger Profis.

"Vor zehn Jahren noch gab es viele Familienbetriebe", sagt Sigitas Podenas, "jetzt übernehmen größere Firmen den Markt." Der Zoologe aus Vilnius jagt kreuz und quer durch Litauen; auf der Suche nach Inklusen. In nur jedem 500sten Bernstein sind solche Einschlüsse zu finden, Millionen Jahre alte Insekten oder Pflanzenteile, umhüllt vom Harz des Waldes. Podenas will mehr wissen über das Leben damals, und er sucht nach Verbindungslinien ins Jetzt. Sein Spezialgebiet sind verewigte Schnaken. Er findet sie manchmal noch bei den kleinen Schleifern auf dem Land. Aber diese Schleifer werden immer weniger. "Außerdem zerstören sie die Inklusen, wenn sie aus ihren kleinen Stückchen große Steine pressen", sagt Podenas. Er muss mittlerweile froh sein, wenn er auch nur einen einzigen guten Einschluss am Tag findet.

Er treibt seinen grünen Skoda durch den dunklen Spätnachmittag, über die regenvollen Schlaglochpisten von Taurage, im Landesinnern. Er stoppt abrupt, zerrt Mikroskop und Lampe aus dem Kofferraum und drückt auf das Klingelschild von Danguoli Ramanauskiene. Kurz darauf schüttet die kräftige, schwarzhaarige Frau einen Haufen Rohware auf den Wohnzimmertisch, gekauft bei "Alexander in Klaipeda". Podenas schaltet seine Lampe ein. Auch für Ramanauskiene sind die Inklusen wertvoller geworden. Was früher weggeschmissen wurde, kaufen Begüterte mittlerweile als Geldanlage. Vor allem die Japaner seien ganz wild darauf. Seltene Stücke bringen 1000 Euro und mehr. Ramanauskiene hat sich ein Bestimmungsbuch für Fossilien gekauft. "Wissen ist Geld", sagt sie.

Bislang hofft sie allerdings vergeblich auf einen ganz spektakulären Fund; die von Podenas gesuchten Schnaken bringen ihr nur wenig ein. Ramanauskiene fertigt deshalb wie eh und je preiswerten Schmuck für die Straßenmärkte in Palanga und Vilnius. "Wir machen aus allem etwas, Abfall können wir uns nicht mehr leisten", kommentiert sie ihre Doppelstrategie.

Als Sigitas Podenas schließlich seine Lampe ausschaltet, hat er eine 20 Gramm schwere Inkluse aus den Bernsteinen herausgefischt. Er steckt sie in ein Plastiktütchen und zählt Danguoli Ramanauskiene 30 Euro in die Hand. Beide lächeln. Der Bernstein hat Millionen Jahre überdauert. Da werden auch sie nicht so schnell aufgeben.

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